Kuration
Caletta I
Gerrit Frohne-Brinkmann: Dr. Perversi
02. – 10. März 2018
Clausiusstrasse 42, 8006 Zürich

Brustvergrösserung, Bruststraffung, Brustverkleinerung; Brustmuskelvergrösserung. Warum ist Dr. Perversi mit der chirurgischen Praxis von Berlin nach Zürich gezogen? Fettabsaugung, Fetttransfer; Gesichtsstraffung, Haartransplantation, Hodenersatz, Lasertherapie. Oder hatte Dr. Perversi schon immer eine Dependence in Zürich? Lippen- und Nasenkorrektur, Ohren Anlegung, Schweissdrüsenentfernung, sogenannte Schamlippenkorrektur; Wadenvergrösserung. Und was hat es mit seiner/ihrer Leidenschaft für fleischfressende Pflanzen auf sich?

Gerrit Frohne-Brinkmann integriert für die Ausstellung Dr. Perversi zwei künstlerische Serien in eine stereotype Wartezimmer-Szenerie. Für die Surgical Drawings (2014 - 16) haben verschiedene Plastische Chirurg/Innen ihre Filzstift-Zeichnungen, mit denen sie gewöhnlich zu operierende Körperteile markieren, auf grundierten Leinwänden hinterlassen. Die Zeichnungen bilden dabei in chiffrierter Form jeweils ein ästhetischkosmetisches “Problem” wie auch dessen potentiellen Lösungsansatz ab. Bei den Carnivores (2017) handelt es sich um keramische Nachbildungen von fleischfressenden Pflanzen samt ihrer Tontöpfe. Die feucht-glänzenden, schlüpfrigen Oberflächen, die fleischigen Blätter und obszönen Kelch-Fallen, die morbide Farbgebung machen die Nachbildungen gleichsam zu abstossenden wie unwiderstehlich attraktiven Objekten. Die restlichen Einrichtungsstücke sind farblich aufeinander abgestimmt; einzelne Elemente wie die dunkelbraun gepolsterten Stühle oder die Fransen-Vorhänge scheinen aus der Zeit gefallen. All das erzeugt eine ambivalente Atmosphäre. Warum kommen Sie erst jetzt hierher?


Caletta II,
Claudia Lemke & Miriam Laura Leonardi: close
14. – 19. Juni 2018
Clausiusstrasse 42, 8006 Zürich

Bewege dich in etwa dieselbe Richtung wie diejenigen, die in deiner Nähe sind. Steuere den Mittelpunkt derjenigen an, in deren Umfeld du dich befindest. Nimm Abstand, sobald es zu eng wird.1

Die drei Malereien We are bound to the city out of origin and necessity (2018), To the city we are bound out of origin and necessity (2018) und Out of origin and necessity we are bound to the city (2018) von Claudia Lemke sind von Harun Farockis Wie man sieht (1986) inspiriert. Von Weitem ziehen sie Blicke wie Zielscheiben auf sich. Aus der Nähe schwindet der Eindruck eines starren Bildmittelpunkts zugunsten einer fliessenden, den Bahnen folgenden Betrachtung. Die beiden Arbeiten von Miriam Laura Leonardi befinden sich auf einem schmalen Grat zwischen gestischer Lässigkeit und formaler Pedanterie. Für Picnic for Aliens (2018) zwängt sie eine überdimensionierte Decke – das Relikt der Videoarbeit Aliens & (2018) – in einen schwarzen Objektrahmen, der fest mit Plexiglas verschlossen ist. Das Textil muss sich der neuen Form anpassen; auch die Künstlerin übt im Sinne eines „First Take“ (die erste Aufnahme einer Filmszene) keinen weiteren Einfluss auf den Faltenwurf aus. Die Fountain for Youtube (2014) ist ebenfalls Requisit und verweist auf das kommentarlose Instruktionsvideo Folleau (2014).

1. Im Jahr 1986 entwickelte Computergrafiker Craig Reynolds zu Animationszwecken das erste Programm, das das Schwarmverhalten von Vögeln simuliert hat. Die virtuellen Vögel, genannt Boids (bird-oid objects), interagieren hierbei individuell miteinander – einen Schwarm bilden sie nur unter der Voraussetzung, dass alle Individuen die drei angeführten Regeln (Alignment, Kohäsion, Separation) gleichzeitig befolgen.


Caletta 1